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 Programm Archiv englisch.

 

Regionale 9

28. November 2008 – 4. Januar 2009
Als Höhepunkt des regionalen Kunstschaffens zeigt der Kunstverein Freiburg jedes Jahr zu Weihnachten unterschiedliche Arbeiten von KünstlerInnen aus dem Dreiländereck (Deutschland, Frankreich, Schweiz). Dieser grenzüberschreitende Anlass bietet regionalen Kunstschaffenden aller Altersgruppen eine Möglichkeit,
üdbaden und dem Elsass auszustellen. Aus den 600 eingereichten Bewerbungen in 2007 wurden über 250 Werke von Fachjurys ausgewählt. Die Regionale ist somit nicht nur Spiegel für das schöpferische Potential der Region und ihrer kulturellen Diversität, sondern auch Plattform für den Austausch zwischen Kunstschaffenden, Kulturinstitutionen und kunstinteressiertem Publikum.

Bei der Wandinstallation empty zones, 2008 hat Laurent Bechtel alle Gebiete einer Weltkarte in kleine Teile gleicher Größe geschnitten, die alle den Umriss der Landkarte Frankreichs besitzen. Auf der Wand befestigt verlieren die kleinen Gebiete ihren Zusammenhang und nehmen so neue Identitäten an. Es ist ein Spiel in dem Grenzen, Farben und Formen ihre ursprüngliche Bedeutung aufgeben und in der Weise, wie sie arrangiert sind erinnern sie an einen Insektenschwarm, der sich in der Raumecke niedergelassen hat.

Marie Paule Bilgers kombiniert in ihrem Werk Fleurs de pommiers (N° 2), 2008 Fotografie und Malerei auf Plexiglas. Diese Technik suggeriert zum einen die Transparenz des Motivs, zum anderen ermöglicht es der Künstlerin eine Rückbesinnung auf die klassische Malerei. Die fragile Materialität der Apfelblütendarstellung kommt durch den gläsernen Grund und die Lichtbrechung darin zur Geltung.

Die Serie Verwandlung, 2008 von Celia Brown basiert auf der physikalischen Erkenntnis, dass wir nur fünf Prozent der dunklen Materie des Universums erfahren können. Die Zeichenfelder halten die sichtbaren Zwischenräume der nicht fassbaren Materie fest, und werden durch Verspie­gelungen fortgeschrieben. Der Betrachter ist verunsichert, ob es sich um sehr kleine oder sehr große Wahrnehmungsfelder handelt.

Bruno Bürgin malt seine Landschaften, 2008 auf kleinformatige Holztäfelchen. In der Farbigkeit beschränkt sich der Künstler auf nur einen Grundton. Kombiniert mit der gestischen Malweise wirken die kleinen Landschaftsausschnitte abstrakt sphärisch.

Audrey Canales animiertes Video, Mr. Moonlight, 2008 zeigt die Person Adrien Moerlen, die eine Verwandlung durchlebt. Die Geschichte spielt im Weltall und unter Wasser, beides dem Menschen ferne Lebensorte. Die Künstlerin spielt symbolisch mit den Begriffen der Metamorphose und Fremde, sie fragt, in wie weit wir über Unbekanntes urteilen.

Die Skulptur Komet, 2008 ist ein Ensemble von Rauchquarzen, die auf einem Podest mit dynamischen Beinen präsentiert werden, die an ein Konstrukt russischer Futuristen erinnern. Die kristalline Struktur der tragenden Beine ruft Bilder an Tentakeln oder den Schweif eines Kometen hervor. Die zweite gezeigte Arbeit von Urs Cavelti Stein Fliege, 2008 wird an der Wand befestigt und ist ein Zitat der Skulptur in Miniatur.

Gulli, 2008 ist Teil des Langzeitprojekts „Brunnen“. Das Künstlerduo Copa & Sordes dokumentiert seit 1999 den Brunnen am Wolkenhof (Murrhardt) zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten in Form von Videostillleben. Bei der im Eingangsbereich der Ausstellung platzierten Bodenprojektion fällt der Blick, teils durch ein Gitter verdeckt, nach unten in einen Schacht. Wasser rinnt und verschwindet irgendwo. Je nach Lichteinfall reflektiert die Wasseroberfläche die vorüberziehenden Wolken, ist transparent oder unergründlich schwarz.

Die Skulpturen Matrix, 2008 reflektieren ein großartiges Phänomen der Natur: Durch einen rekursiven Prozess werden unendlich viele neue Formen geschaffen. Ausgehend von dem regelmäßig strukturierten Material gestaltet ldikó Csapó durch Verformen komplexe Muster.

Das Ornament dient Simon Czapla als Vorwand für die Malerei. Zitate der Kunstgeschichte nehmen wie die Figur Hai, 2008 einen Teil im ornamentalen Dickicht der buntfarbigen Kompo­sition ein. Ikonenhafte Überhöhungen und die Wiederholungen von scheinbar bekannten Kürzeln schaffen dabei auf dem Querformat einen Dialog der einzelnen Bildelemente unter­einander.

Die gezeigten Arbeiten aus der Serie Ruins in Reverse, 2008 von Walter Derungs muten wie überarbeitete Negative an. Durch verschiedene Eingriffe und Manipulationen beim Vergrößern und Entwickeln in der Dunkelkammer wird aus einer Fotografie großstädtischer Architektur ein emotional aufgeladenes Ein-Bild-Drama, das einen sezierenden Blick auf die sonst alltäglich übersehene Realität setzt.

Coober Pedy, 2007 ist ein kleines Opalminenstädtchen in der Wüste Südaustraliens. Das ausgestellte Werk von Stephan Dietrich & Seraphine Kauss ist ein Teil der Fotoserie mit dem gleichnamigen Titel. Coober Pedy ist ein Unort. Eine höchst surreale, karge und seltsamerweise doch äußerst kreative Atmosphäre prägt den ganzen Ort.

Die zweiteiligen Arbeit aus der Reihe DEAD FUNNY II, 2008 setzt sich mit dem Archetypen des Clowns und der Komik an sich auseinander. Die beiden unterschiedlichen Medien, Fotografie und Video, werden über den Protagonisten des Clowns, dargestellt vom Performancekünstler und Schauspieler Jo Dunkel, zu einer Geschichte verbunden – die Herstellung von Pech zur Abdichtung eines Bootes.

Sandra Eades nahm bei ihren Winterspaziergängen an der Spree eine Reihe von Fotos auf, die sie in der Serie Spreescapes mit Malerei, Fotografie und Zeichnung zu Werkblöcken kombiniert. Die Arbeit Spreescapes Nr. 16, 2008 bildet mit den rosa Farbblöcken eine stilvolle Komposition.

Daniela Ernis Leidenschaft besteht aus der Auseinandersetzung mit dem Bildmaterial. In dem intimen Bild ohne Titel, 2008 führt es zu der außergewöhnlichen Technik der Pinselätzung auf Papier, die zwei Schattengestalten in reduzierter Form erkennen lässt.

Myzel, 2008 setzt sich aus 46 kleinformatigen, dreidimensionalen Einzelarbeiten zusammen, die aus bearbeiteten Pappkisten, Linienzeichnungen aus Graphit, Lack oder Winkelschleifer sowie gestrickten Geweben bestehen. In ihrer Anordnung reagieren Ariane Faller und Mateusz Budasz auf die jeweilige Raumsituation. Im Kunstverein an den Säulen installiert, winden sich die Elemente wie ein pilzartiges Geflecht in die Höhe.

Die neunteilige Arbeit ohne Titel, 2008 von Manuel Frattini ist als Versuchsgelände zu verstehen, das Möglichkeiten für Bilder erschließt und Strukturen offen legt. Die Präsentation als Ensemble verweist auf die Zeitstruktur von Bildender Kunst, da das zeitliche „Nacheinander” bei der Herstellung einem „Miteinander“ in der Vorstellung und Erfahrung entspricht.

Die Zeichnung Teppich, 2008 ist mit Silberstift auf einem mit Gouache grundiertem Papier entstanden. Diese besondere Technik gewährt feinste Zwischentöne bildlich Festzuhalten und steht in einem Bezug zur Fotografie. Andreas Frick interessiert dabei der Moment des Übergangs, indem ein Bild sich auflöst und verschwindet, um in einen andern Zustand überzugehen.

Ulrike Gerst dienen die auf ihren Reisen gemachten Eindrücke, die sie fotografisch festhält, als Ausgangspunkt für ihre künstlerische Arbeit. Das Gemälde ohne Titel, 2007 gehört zu einer Serie über das alte, ehemals renommierte Hotel in Riga mit seinen endlos langen Fluren, Polstergruppen und Restaurants. Wie die anderen Bilder der Serie wird dieses von einer kühlen, anonymen Atmos­phäre bestimmt.

Esther Glücks Schnakeln, 2005 sind fragile Papierschnitte von überdimensionalen Schnaken, die mit Stecknadeln an die Wand gepinnt werden. Durch den Abstand von Papier und Hintergrund erwachen die Insekten zu neuem Leben – im Luftzug vibrieren ihre filigranen Beine.

Das Interesse von Daniel Göttin gilt der visuellen Spannung der Arbeiten in sich selbst und zugleich ihre Wirkung und Ausstrahlung auf die Architektur des bestehenden Raums. Für die Installation ohne Titel, 2008 im linken Treppenaufgang des Kunstverein Freiburg überzieht er die Wände mit einem unregelmäßigen Gitternetz von Linien. Das Geflecht nimmt die linearen Gefüge der speziellen Wandgliederung des Marienbads auf.

Bei der Wandarbeit ohne Titel, 2008 greift Tanja Goetzmann einfache räumliche Perspektiven und traditionelle raumgestaltende Muster auf, die sowohl in Wand- als auch in Bodengestaltungen häufig vorkommen. Das Material der Wandapplikation sind Zeitungsfotos, die seit mehreren Jahren nach verschiedenen Aspekten und Themen, sowie auch nach Farben sortiert, archiviert werden.

Die Arbeit Module 1, 2008 besteht aus Dachlattenresten. Diese verbindet Alexander Habis­reutinger durch eine Verzapfung miteinander, so dass die Skulptur Stück für Stück wächst. Ein dichtes Gebilde entsteht, das sich langsam über das Geländer in den Raum zu winden scheint.

Shanghai, 2008 ist eine Nitrofrottage-Collage, die Andrea Hartinger mit Fotos von ihrem in Shanghai-Aufenthalt im Sommer 2007 gestaltet hat. Die Arbeit erinnert wegen dem schmalen Querformates an einen Fries, auf dem eine surreale Stadtansicht zu sehen ist.

Horizont, 2008 ist keine fotografische Wiedergabe, obwohl die Grundlage der Kompositionen reale Landschaftsbilder sind. Stephan Hauswirth benutzt Landschaftsmotive vorgefundener und selbst aufgenommener Bilder, in denen er den Ausdruck jenseits des Sichtbaren sucht. Das Resultat der überarbeiteten Fotografie ist eine modellierte Realität. Orte zwischen Bild und Wirklichkeit.

Die Arbeiten von Matthias Heipel setzen sich mit aktuellen Positionen und Fragen zum Dokumentarischen in der Fotografie und dem Anspruch auf Wahrhaftigkeit des Abbilds und seinem Verhältnis zur Realität auseinander. In der gezeigten Fotografie Pont, 2007 wird der Bildraum verändert, manipuliert und zwischen Virtualität und Realität verortet.

Ausgangspunkt des Gemäldes Imitation, Havanna, 2008 ist die Idee, verschiedene Materialien und Motive nicht nur in ihrer Stofflichkeit wiederzugeben, sondern auch die Plastizität der einzelnen Objekte im Gemälde reliefhaft anzudeuten. Vincent Kriste möchte die spezifischen Eigenheiten von Oberflächenstruktur – zum einen der abgebildeten Gegenstände zum anderen des Arbeits­materials – sichtbar machen.

Die mit Graphitpulver und Watte in feinsten Tonabstufungen ausgearbeiteten Zeichnungen ohne Titel, 2008 von Kathrin Kunz zeigen fixierte Momente der flüchtigen Bewegungen von Flüssigkeiten, die Zeitlichkeit eines Augenblicks, den man nicht halten kann. Nicht das Abbild der ursprünglichen Fotografie interessiert, sondern die zeichnerische Umsetzung der Energie des Rätselhaften und des Unbeständigen.

Die Arbeit Bild mit drei Häusern Nr. 2, 2008 von Anita Kuratle zeigt eine Silhouette einer Häusergruppe. Die reliefartigen Objekte geben eine Räumlichkeit vor, und die perspektivische Darstellung suggeriert in der Wahrnehmung eine erweiterte Raumtiefe.

Wolfgang Ludewigs COLOUR - FACTORY 1958 - 2008 ist eine fiktive Dokumentation zum Thema Farbe in ihrer Doppelbedeutung als industriell gefertigtes Anstrichmaterial und andererseits als auratisch aufgeladenes Kunstmaterial. Die Gliederung der im Titel genannten 50 Jahre in sechs Abschnitte eröffnet dem Zuschauer des Videos trügerische assoziative Felder, in denen das eigene kunst- und geschichtshistorische Bewusstsein zum vermeintlichen Dechiffrierungsinstrument abstrakt - technoider Bildwelten wird.

Patrick Luetzelschwab künstlerisches Schaffen wurzelt im Graffiti und der Street-Art. Diese Einflüsse charakterisieren die Bildatmosphäre von Schichtwerk, 2007, dass mit Oxidations­technik, Siebdruckverfahren und Fotographie heruntergekommene Industriearchitektur abbildet. Das Motiv des seit 1976 stillgelegten Reichsbahnsausbesserungswerks in Trier, ist Zeuge des Unter­gangs vom industriellen Zeitalter in Deutschland.

Die Gemälde von Celso Martínez Naves sind in der Regel menschenleer, weitgehend anonyme Stadtansichten oder Straßenbilder, die zeitlos wirken. Die Lichtführung, die auch in seiner Werkgruppe Unterwegs, 2008 eine wichtige Rolle spielt, erzeugt einen flirrenden Schleier, der das Dargestellte dahinter mystisch erscheinen lässt.

Das Gemälde dazwischen, 2008 von Luzian Obrist zeigt einen halbtransparenten Baum auf schwarz-weißem Hintergrund. Intention des Künstlers war es über den Hell-Dunkel-Kontrast hinaus einen Übergang darzustellen: Der Baum steht an der Grenze zwischen den beiden Farben, als Mahnmal für das „dazwischen“.

In Leta Peers Fotografien werden heruntergekommene Fabrikräume, die aussehen, als seien sie Kulisse für einen Horrorstreifen, zu Gucklöchern in eine idyllische Natur. In goldenen Rahmen werden atmosphärische Ausschnitte aus Landschaften mitten in die Verlassenheit gehängt. Die digitalisierte Fotografie Mirrors Index 5, 2007 ist Teil der Reihe “Along with Simon“, welche die Künstlerin ihrem verstorbenen Bruder Simon gewidmet hat.

In Uta Pütz’ Werk werden auf unterschiedlicher Weise und in verschiedenen Medien Raum-Bild-Konstruktionen entworfen. In Schrank II, 2007 hat die Künstlerin Fotografien in eine dreidimen­sional Collage überführt. Das multiperspektivische Wandobjekt tritt in seiner Maßstäb­lich­keit in Bezug zum realen Raum und thematisiert zudem das Verhältnis von Bild und Bildgegen­stand.

Die Arbeit kauniainen/ s, 2007 basiert auf einer Fotografie, die Maja Rieder in einem Quartier in Helsinki aufgenommen hat. Das Gebäude aus den 1970er Jahren ist in eine natürliche Umgebung eingebettet, welche ebenfalls in der Zeichnung ausschnitthaft vorkommt. Gewisse architek­to­nische Elemente sind gezoomt dargestellt, andere weggelassen.

Eva Rosenstiel gestaltet in zufällig entstandenen Fotos Metamorphosen. Dies geschieht in einem aufwändigen Prozess von übermalen, scannen, blow up, ausdrucken mit Tintenstrahlprinter, partiell anlösen und weiterem übermalen. Die so entstandene neue Bildwirklichkeit in Karussell IV, 2008 intensiviert zum einen durch eine punktuelle Fokussierung den Raum, der zugleich wieder verstellt wird.

Alexa Rudolphs Video Wurstküche, 2008 zeigt ein Zeitfenster: Zehn Minuten aus dem Leben eines Metzgers, sein Handwerk, der Tot eines Schweins und die Wurstküche. Untermalt wird das Gezeigte von einem dilettantisch übenden Klavierspieler. Der Metzger ist kein Dilettant.

Marcel Scheibles großformatige Arbeit auf Papier gehört zur Werkgruppe Grünflächen, 2007. Auf der kraftvollen, auf den ersten Blick unüberschaubaren Komposition finden sich Gräser, Blumen und Baumstämme neben Sprayspuren und schematischen Darstellungen von Bodenprofilen bis hin zu einzelnen kunsthistorischen Zitaten (z.B. Dürers Rasenstück). Das organische Wachsen – impliziert durch die Motivwahl – nutzt Scheible als Bildentstehungsprinzip, indem er zeichnet, collagiert und übermalt, bis die einzelnen Elemente im Bildraum ein dichtes Netz von Bedeutungsverknüpfungen bilden.

Die Werke Samsurium, 2008 und Die Verwandlung, 2008 von Verena Schönhofer zielen darauf, den Betrachter in eine außergewöhnliche Stimmung zu versetzen und das Gefühl einer unkonkreten, rätselhaften Bedrohung zu suggerieren. Obwohl Kafkas Erzählung für die Titelgebung Pate stand, sind die Arbeiten keine Illustration sondern transportieren eine Botschaft: die Einsamkeit der Menschen.

Die letzten zehn Jahre lebte Peter Schuler in Frankreich, umgeben von der ursprünglichen Natur entlang des Canal de l' Est. Die Jahreszeiten mit ihren eigenen Wetterlagen sowie die Tage und Nächte mit ihrem wechselnden Lichtspiel des Landstriches werden in den drei Werken aus der Serie Wetter­bilder, 2008 festgehalten.

Matthias Spiess’ Werk ohne Titel, 2007/8 zeigt ein verflochtenes Netz von Kristallen, das eine komplexe Räumlichkeit entstehen lässt. Durch die Überlagerung von transparenten Farbschichten entstehen geometrische Welten, die den Betrachter in einem Labyrinth versinken lassen. Seine neuen Arbeiten zeichnen sich durch die Verwendung minimaler Farbigkeit aus.

Valentina Stieger bemalt nach ihrem Konzept I, 2008 den Spiegel der Herrentoilette des Kunstvereins großflächig mit Lippenstift, so dass dem Betrachter der Blick in das eigene Spiegelbild verwehrt wird. Die grelle Farbe, der intensive Geruch und die aufgeladene Bedeutung des Lippenstifts als Medium privater Botschaften übt die Arbeit einen regelrechten „Farbanschlag“ auf den Besucher aus.

Die Malerei von Gabriele Vallentin thematisiert in den Farbfeldern, die miteinander verzahnt sind, die Verbindung des Fremden mit dem Eigenen. Die Arbeit ohne Titel (rot), 2008 wurde von den sinnlichen Erlebnissen der Künstlerin im tropischen Dschungel inspiriert.

Die Motive von Johannes Vetter neuester Arbeiten setzen sich mit der menschlichen Handlung als Aktion auseinander. Die beiden Bilder ohne Titel, 2008 stellen in universale, zeichenhafte Sprache die persönlichen und intimen Handlungen zur Befriedigung von Bedürfnissen dar und hinterfragen diese gleichzeitig.

 

Audrey Canales | Mr. Moonlight

 

DASSOLLKUNSTSEIN vol.6 | 6 Galerien im Freiburger Kunstverein
21. - 23. November 2008, täglich 12 - 18 Uhr.

 

Eröffnung: Donnerstag 20. November, 19 Uhr.

Programm PDF >

 

Mady Braun, Annoncen | Galerie Pro Arte

 
 

Olga Allenstein | Galerie G

*1952, lebt in Freiburg

Olga Allenstein zeigt mit dem „Berliner Zimmer" eine Installation, die in Teilen erstmals 2003 in der Baden-Württembergischen Landesvertretung in Berlin zu sehen war. Inszeniert wird eine minimale Wohneinheit für eine Person auf vier Euro-Paletten: Pritsche, Stuhl, Schranktisch mit Allzweck­gefäßen, rollbarer Waschtisch, diverse Schränkchen, Bildschirm. Alle Teile sind Schein- wie auch Nutzmöbel – eine aus Sperrmüll-Fragmenten zusammengesetzte Möblierung zum Nulltarif und nach individueller Maßgabe.

Mady Braun | Galerie Pro Arte

* 1946 in Hamburg, lebt in Freiburg und Salzburg

Die Bilder der umfangreichen „Annoncen“-Serie von Mady Braun sind weit entfernt von neutral- sachlich malerischen Umsetzungen von Anzeigen, vornehmlich der Rubrik Haus & Familie, die sie aus Gratiszeitungen entnimmt. Vielmehr werden Bild und Text so kombiniert, dass die Werke wie ironische Kommentare zu den Alltagsgegenständen wahrgenommen werden. In ihrer vermeintlich naiven Malerei erzählt die Künstlerin auf subtile Weise Geschichten, etwa von Leuten, die sich von nicht mehr makellosen Dingen trennen wollen, die offensichtlich ausgedient haben, und vereint dabei Witz und Melancholie.

Dirk Brömmel | Galerie Baumgarten
* 1968 in Bonn-Bad Godesberg, lebt in Wiesbaden

1929-30 baute Mies van der Rohe im Auftrag des Ehepaares Fritz und Grete Tugendhat die 1250 qm große Villa im tschechischen Brünn. Bereits 1938 musste jedoch die Familie Tugendhat vor dem drohenden Einmarsch Hitlers fliehen. Dirk Brömmel hat im Jahr 2002 zunächst das leidlich restaurierte, architekturhistorisch einmalige Gebäude (seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbe) sowohl innen wie außen Fotographiert. In diese Aufnahmen hat er in einem zweiten Schritt eine Reihe von privaten Aufnahmen der Familie Tugendhat, die in den 1930iger Jahren dort aufgenommen wurden, montiert bzw. so integriert, dass sich die Zeitebenen der 1930iger Jahre mit der von 2002 fast nahtlos verbinden, wobei die „Brüche“ jedoch durchaus sichtbar blieben.

Inge Dick | Galerie artopoi

* 1941 Wien, lebt in Innerschwand am Mondsee/ Österreich

Die Malerin und Fotografin Inge Dick hat ihr malerisches Werk seit den 1960er Jahren konti­nuierlich entwickelt. Die Entdeckung der „Fotografie“ bedeutete für ihr künstlerisches Werk keinen Bruch, sondern eine Weiterentwicklung mit anderen Mitteln. Fast spielerisch entwickelte sie neben ihrem malerischen Werk, parallel ein fotografisches. Ebenso wie in der Malerei ist das Thema ihrer Fotografien, das Licht und die Nuancierungen von Farbe. Viele Bezüge erlauben es zwischen den beiden Werkgruppen Inge Dicks, ihren Fotografien und den schindelartig aufgetragenen Spachtellungen in weiß Bezüge herzustellen. Während die Malereien aber Objektcharakter haben, verbleiben die Fotografien in der Fläche, das Papier ist oft hinter Glas aufgezogen, oder wie bei den Polaroids an zwei Punkten im Rahmen aufgehängt.

Tatiana Antigone Leicht | Galerie Meier

* 1961 in Bad Mergentheim, lebt in Radolfzell am Bodensee

In Tatiana Leichts Stillleben, Landschaften oder Porträts bleibt der malerische Werkprozess sichtbar erhalten. Schichtweise erhebt sich in teilweise schwerem Impasto die Ölfarbe auf der Leinwand, die fast reliefartige Oberflächen zu bilden scheint. Ihre Gemälde sind zwar der traditionellen figür­lichen Malerei zuzuordnen, jedoch sind sie gleichzeitig von einem hohen Grad der Abstraktion geprägt, so dass es einige Zeit dauern kann bis sich einzelne in den Titeln erwähnten Elemente identifizieren lassen. Durch den betont gestischen Farbauftrag sowie die reiche Oberflächentextur wird eine erhebliche Distanz im Verhältnis zur Wirklichkeit geschaffen, was Tatjana Leichts Malerei eine immense Spannung verleiht.

Jo Niemeyer | Galerie Konkret Wörn

* 1946 Alf, lebt in Süddeutschland, Frankreich und Finnland

Jo Niemeyers Bilder und dreidimensionalen Objekte stehen in der Tradition der klassischen Moderne und weisen Affinitäten zu asiatischem Denken und fernöstlicher Ästhetik auf. Wesent­liches Element seines Regelkanons, seiner bildnerischen Grammatik ist die ausschließliche Konzen­tration auf Rechtecke und Quadrate bzw. entsprechende kubische Formen, die äußerst exakt gearbeitet, in den Grundfarben Rot, Gelb und Blau sowie in Schwarz und Weiß ausgeführt sind. Vor allem aber basieren die Arbeiten auf dem Goldenen Schnitt, der seit dem Altertum als Garant von Schönheit und Wohlgefallen gilt.
Sie setzen der allgegenwärtigen Entropie eine künstlerische Ordnung entgegen, und sind – im Wortsinn – konkrete Utopien.
(Zusammengestellt aus: Jürgen Glocker, „Jo Niemeyer: Den Menschen zugewandt“)

Federico Herrero | 12. September bis 09. November 2008

Die kraftvollen großformatigen Gemälde des Costaricaners Federico Herrero (* San José, Costa Rica 1978) machen die Räume zwischen den Dingen sichtbar. Obwohl die kleinen, sich aneinanderschmiegenden und einfarbig gemalten Blöcke abstrakt erscheinen, stellen sie doch Herreros Reaktionen auf Begeben­heiten und Bilder dar, denen er in seinem Alltagsleben in Costa Rica oder auf seinen Reisen begegnet.

 

herreroBarco, 2008
Mixed media on canvas
300 x 500 cm / 118 x 196 3/4 in
Courtesy: Sies + Höke, Düsseldorf
Fotographer: Achim Kukulies, Düsseldorf

Als Inspirationsquellen dienen ihm die vielfältigen Straßen- und Hausbemalungen in Costa Rica, die nicht als Kunst definiert sind, sondern uns als unterschiedliche Art von bildlicher Kommunikation begegnen.Die Reichhaltigkeit in Herreros Werken wird dadurch erzeugt, dass Farben einen besonderen Charakter erlangen, der sich durch die Abgrenzung zu den anderen Farbfeldern definiert. Auf diese Weise kreiert der Künstler in einem einzigen Gemälde Zonen in unterschiedlichen Licht- und Modulationsrhythmen. Seine Konzentration auf Farbe geht zurück auf Experimente von Malern des frühen 20ten Jahrhunderts wie Josef Albers. Herrero macht sich die Offenheit der Abstraktion zunutze, d. h. ihr Potential für die individuelle Interpretation, die es zulässt, dass sich die Erfahrungen der Betrachter in dem Gemälde widerspiegeln. Gleichzeitig definiert er in seinen Gemälden eine Räumlichkeit, die in jedem einzelnen Bild eine Landschaft erzeugt.Herreros Kunstschaffen teilt sich zwischen den im Atelier auf Leinwänden angefertigten und den im Freien als Interventionen ins Stadtbild kreierten Gemälden.

Als Anfang 20jähriger, hängte Herrero kleine, auf gefundenen Holzstücke oder Leinwände gemalte Bilder an die Bäume in seiner Heimatstadt San José. Er war fasziniert von der Idee, die Bedeutung und Funktion seiner Umgebung durch die Einführung von Elementen zu verändern, die dort eigentlich nicht hingehörten und von Passanten weggenommen oder woandershin gebracht wurden. Dann begann er, direkt auf Mauern, Bürgersteige und Straßen selbst zu malen.

Foto: Achim KukuliesIn jüngerer Vergangenheit hinterließ Herrero seine Spuren im Stadtbild von San José mit der Fertig­stellung nicht vollendeter Zebrastreifen und der Reparatur oder dem Verändern der Funktion von Straßenschildern. In Tokio bemalte er zwei öffentliche Busse und schuf damit Gemälde in Bewegung. Herrero erstellt zwar zahlreiche Fotografien und Zeichnungen, aber diese sind unabhängig von den Gemälden, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Studios intuitiv und spontan entstehen. Federico Herreros Praxis, die Grenzen zwischen Kunst und Leben zu verwischen, hat auch einen deutlichen Einfluss auf seine Ausstellungen in öffentlichen und privaten Galerien, bei denen er an den Gebäuden selbst seine Spuren hinterlässt, indem er einen Dialog zwischen architektonischen Elementen und künstlerischer Sprache inszeniert. Seine Arbeit ist inspiriert von der Bewegung, die 1960 begann und die durch die künstlerische Praxis von Künstlern wie Günther Förg und Katharina Grosse weitergeführt wurden.

 

Foto: Achim Kukulies

Im Kunstverein Freiburg entstehen durch die Gemälde, die Federico Herrero auf den zweidimen­sionalen Flächen des dreidimensionalen Innenraums schuf, emotionsgeladene Räume, die sich grund­legend auf unsere Wahrnehmung der Architektur auswirken. Obwohl ihr Entstehungsprozess voll und ganz auf der Subjektivität des Künstlers beruht, sind die Betrachter von Herreros Wandgemälden inter­aktiv betroffen, als ob sie innerhalb eines Gemäldes wären, dass sie als sinnliche Erfahrung wahrnehmen. Die kleinen skizzenhaften Figuren, die hier und da hervorschauen, sind von Herrero als Alien- Figuren gedacht. Formal fügen sie eine wichtige Ebene hinzu: die dünnen Linien der Zeichnung agieren in einem andauernden Dialog mit den dicken Pinselstrichen der Farbe – Material der ‚hohen Kunst’ gegenüber gewöhnlichem Filzstift. Die Figuren sind wechselnd auffällig.

 

In Garden, 2008 zum Beispiel, rufen die delikat gezeichnete Formen Blumentöpfe, Blätter oder Samen in Erinnerung. Auf anderen Leinwänden, so wie Barco, 2008 oder Landscape with black stripes, 2008, treten die Figuren nur ein-zweimal auf. Trotzdem spielen sie eine genauso wichtige Rolle im Rhythmus der Komposition zwischen starker und filigraner Struktur, Farbe und Linie, mentaler Landschaft und cartoonartigem Humor.Eine ganz andere Art von Figuren präsentiert sich in den sechs Porträts, die im Kunstverein Freiburg erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden. Die Bilder sind keine Porträts im herkömmlichen Sinn, sondern eher Andeutungen von möglichen Bildnissen von Menschen, die existieren könnten. Direkt auf raue, unbehandelte Leinwand gemalt, erzeugt der Kontrast zwischen der stofflichen Leichtigkeit, der Ölfarbe und den Zeichenlinien eine fließende, offene Struktur.

Untitled, 2005
Mischtechnik auf Leinwand
70 x 421 cm / 27 1/2 x 165 3/4 in
Courtesy: Sies + Höke, Düsseldorf
Fotographer: Achim Kukulies, Düsseldorf

 

Ein offensichtliches Merkmal von Herreros neuesten Arbeiten ist seine Vorliebe für leuchtende, manchmal sogar grellen Farben. Der Schwerpunkt von Barco ist das verführerische Fliederfarbene des Hintergrunds, von dem sich die gelben und roten Farbtöne leuchtend absetzen, während Blue Mountain, 2008 von der einfarbigen blassblauen Form beherrscht wird, das den intensiven gelben „Himmel“ beleuchtet bzw. belebt. Obwohl der Künstler mit den großformatigen ortsbezogenen Werken den Betrachtern oft den Eindruck verschafft hat, sie könnten innerhalb eines Gemäldes herumlaufen oder herumschwimmen, ist dies das erste Mal, dass er versucht hat, diesen Eindruck auf einer Leinwand entstehen zu lassen. Herreros Farbpalette hat sich in den letzten Jahren verändert, denn im Vergleich zu diesen eher synthetischen Farben, sind die im Jahr 2005 entstandenen Gemälde wie Untitled (7) und Landscape (Green), 2008 dunkler und gedämpfter. Ihre vergleichsweise Natürlichkeit wird durch die unebenen Konturen der farbigen Formen noch verstärkt, bei Landscape (Green) auch durch den relativ differenzierten, gesti­scheren Hintergrund.

Überraschenderweise ist Schwarz eine der wichtigsten Farben in Herreros Werk, dessen Hauptbedeutung für ihn sein ganz wörtlicher Bezug zur Idee von Dunkelheit ist. Er setzt diese Farbe ein, um Tiefe zu erzeugen und den anderen Farben Hintergrund zu geben, z. B. in Werken wie Landscape (Green), oder um zu verhindern, dass eine Komposition zu grell wird, wie in Blue Mountain. In Landscape with black stripes bildet Schwarz nicht nur den Hintergrund der oberen Leinwandhälfte, sondern führt auch in Form der eingekerbten schwarzen Streifen eine neue und komplexere Perspektive in die Arbeit ein. An der Stelle, wo die schwarzen Streifen beginnen, scheint sich das Gemälde von der flacheren Komposition darüber wegzubeugen und sich auf den Raum der Betrachter hinzubewegen. Für Herrero hat die Farbe auch eine symbolische Bedeutung; er beschreibt sie „wie das Denken an eine nächtliche Szene oder ein ‚Nocturne’, ein im Hintergrund erklingendes Klavierstück“.

Die kühne Extravaganz und immanente Leuchtkraft in Herreros Gemälden erzeugen eine wirkungs­ästhetische Ebene, der sich der Betrachter nicht zu entziehen vermag. Seine künstlerische Sprache ist nicht in Theorie begründet, sondern vielmehr in der Immanenz des Mediums, im grundlegenden Akt des Malens, der in dem Auftragen von Farbpigmenten auf Flächen besteht. Die innere Logik von Herreros Werken wird von formalen Entscheidungen regiert, die nie auto­nom sind, sondern Momente und flüchtige Eindrücke seiner unmittelbaren Umgebung widerspiegeln. In diesem Sinn sprechen seine Gemälde sowohl von der Welt als auch von sich selbst.

Federico Herrero hat im Jahr 2001 auf der Biennale von Venedig den Preis für junge Künstler gewonnen. Er hat sich an zahlreichen Biennalen und Gruppenausstellungen beteiligt und einige Einzelausstellungen präsentiert u. a. in Watari Museum for Contemporary Art, Tokyo (2005) und CCA Wattis Institute for Contemporary Arts, San Francisco (2008). Er ist von den folgenden Galerien vertreten: Sies + Höke Galerie, Düsseldorf, Gallery Koyanagi, Tokyo, Galeria Juana de Aizpuru, Madrid und Pablo Léon de la Barra, London. Die Präsentation in Kunstverein Freiburg ist seine erste umfangreiche Einzelausstellung in Europa.

Ergin Çavuşoğlu | 6. Juni – 10. August 2008

Place after Place
Ergin Çavuşoğlu (*1968) gilt zur Zeit als einer der interessantesten Videokünstler in Groß­britannien. Seine Videoinstallationen reflektieren die komplexe und immerzu wandelnde Migration von Menschen zwischen Orten und Ländern. Oft in Häfen, Flughäfen und auf Märkten gefilmt, behandeln seine Videos Themen von Reise und der Prozess von Bewegung, der unsere Realität bestimmt. Dadurch erzählen sie auf lyrische Weise von den persönlichen Erfahrungen Einzelner innerhalb einer breiteren kollektiven Geschichte.

 

Die Präsentation seiner Arbeiten im Kunstverein Freiburg wird Ergin Çavuşoğlus erste Einzelausstellung in Deutschland sein. Sie zeigt drei Videoprojektionen als Hauptarbeiten, eine neue Skulptur und eine Auswahl von acht großformatigen Zeichnungen. Çavuşoğlu experi­mentiert mit der Präsentationsart von großformatigen Videoinstallationen in Kombination mit anderen Medien wie beispielsweise Skulptur oder Zeichnung.

 

cavuscloFoto: Marc Doradzillo

 

Foto: Marc Doradzillo

Im Zentrum der Ausstellung steht die Arbeit Point of Departure, 2006, die in zwei Flughäfen, Stansted in Südengland und Trabzon an der türkischen Schwarzmeerküste, gefilmt wurden. Als gegen­sätzliche Enden des europäischen Kontinents begriffen, werden die zwei Orte subtil getrennt und neu zusammengeführt. Nach und nach bemerkt der Betrachter Details von Farben, Kleidung und Sprache, welche die zwei Orte unterschiedlich charakterisieren. Point of Departure thematisiert den Flughafen sowohl als architektonische Struktur, als Maschine die Reisende prozessiert als auch als ästhetische Räumlichkeit.

 

Die Videoprojektion Midnight Express, 2008 erforscht Ideen über Vergänglichkeit und Mobilität. Die Arbeit wurde im asiatischen Teil Istanbuls gefilmt, auf der zentralen Zugverbindung zwischen dem westlichen Teil des Landes und dem Osten. Es sind dieselben Gleise, die vom sogenannten Orient-Express auf dem Weg nach Osten genutzt werden.

 

Die Aufnahmen wurden in der Nacht gemacht, wenn die Stadt nur schemenhaft erkennbar ist: der Zug durchdingt auf seinem Weg die Dunkelheit, in der man nur die beleuchteten Fenster sieht, in unregelmäßigen Abständen hin und her. Die Arbeit interpretiert die Reise mit dem Zug als eine poetische Darstellung, in der die Befremdlichkeit des globalen Transports und der Vernetzung durch klassische ästhetische Strategien umgewertet wird.

Silent Glide, 2008 porträtiert die Dynamik, die Verflechtung und die Spannung in einer Paarbeziehung, sowie die wachsende moralische Inkompatibilität der zwei Betroffenen. Das Konzept basiert leicht auf Leo Tolstois Memoiren „Meine Beichte“, worin der Autor seine inneren Kämpfe und die Suche nach dem philosophischen Sinn des Lebens beschreibt. Die Szenen, die von der absteigenden Spirale der Paarbeziehung erzählen, spielen vor der trüben Industrie­landschaft von Hereke, Türkei. Ehemals berühmt für die Produktion herausragender Seiden­teppiche, sprich eine Adresse für Edle und Reiche, ist diese Landschaft heutzutage vom Unheil der Zementfabrik und des Frachterhafens geprägt. Die Mischung und der starke Kontrast zwischen Geschichte und Modernität, zwischen Ästhetik und Irritation bzw. deren Koexistenz in einer absurden Harmonie verdeutlichen die Themen, die im Film untersucht werden.

Die neue Skulptur Place after Place, 2008, bestehend aus farbigem Plexiglas und einer fluores­zierenden Röhre, wird neben seiner Videoinstallation Point of Departure präsentiert. Von den vier Kisten, die ineinander platziert sind, misst die äußere 100 x 56 x 56 cm, d.h. eine Größe, die auf das cineastische Verhältnis 16 x 9 Bezug nimmt. Die anderen Kisten sind proportional kleiner und drehen sich ineinander. Das Werk reflektiert die Architektur und die Räumlichkeiten in Çavuşoğlus Videoinstallationen.

Die acht großformatigen Zeichnungen stellen eine Auswahl dar. Jede Zeichnung nimmt einen indirekten Bezug zu den Themen, die in den Videoinstallationen untersucht werden: der Raum, den wir bewohnen und in dem wir leben, die Grenzen, mit denen wir leben und die wir uns selbst setzen.

Ergin Çavuşoğlu wurde 1968 in Bulgarien geboren, wo er zu der türkischen Minderheit gehöhrte. In den frühen 80er Jahren studierte er Bildende Kunst an der National School of Fine Arts 'Iliya Petrov' in Sofia. Er erhielt den BA in Wandmalerei an der Universität von Marmara in Istanbul und erwarb 1995 den MA von Goldsmiths in London, wo er seitdem lebt und arbeitet.

2003 vertrat Ergin Çavuşoğlu die Türkei auf der 50. Venedig-Biennale, außerdem nahm er an der 8. Istanbul-Biennale teil. 2004 beteiligte er sich an der 3. Berlin Biennale. Im selben Jahr bekam er große öffentliche Aufmerksamkeit als er für den wichtigen Preis in Großbritannien ‚Becks Futures’ vorgeschlagen wurde. 2005 stellte er an der British Art Show 6 aus. Seine erste große Einzel­ausstellung in Großbritannien wurde 2006 in der John Hansard Gallery in Southampton und in der Northern Gallery for Contemporary Art in Sunderland gezeigt.

Diana Dodson und Reto Leibundgut | 04. April – 25. Mai 2008

Diana Dodson (*1963) und Reto Leibundgut (*1966) arbeiten oft gemeinsam. Für den Kunstverein Freiburg – als ihre erste Ausstellung in einem öffentlichen Raum in Deutschland – werden sie eine Gruppe von neuen Arbeiten anfertigen.
ünstler thematisieren in ihren Installationen, Objekten, Bildern und Videos die Welt des Wohnens: in dem sie Einrichtungsgegenstände wie Teppiche, Wandverkleidungen oder Ledersofas neu zusammensetzen und mit ungeahnter Aussage füllen. Das andere zentrale Thema ihrer Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Naturelementen.

 

dodson leibundgutReto Leibundgut, o.T., 2008, Installation,
Kunstverein Freiburg, Foto: Marc Doradzillo
 

Dabei funktioniert die Idylle der Landschaftsdarstellung nicht als Spiegel der Natur, sondern als Spiegel gesellschaftlicher und sozialer Phänomene, als Projektionsfläche für menschliche Emotionen.Die Schweizer Künstler Diana Dodson (*1963) und Reto Leibundgut (*1966) arbeiten oft gemeinsam und in einer großen Vielfalt an Medien und Techniken. Für den Kunstverein Freiburg haben sie eine raumgreifende Installation angefertigt, die unter dem Titel Drunken Sailor Einzelarbeiten der beiden Künstler verbindet. Diese spielen mit Assoziationen der Kunstvereinsarchitektur zu Schiffsdeck, Reling und maritimem Raum. Mittels Skulpturen, Malerei und Videoarbeiten untersuchen Dodson und Leibundgut Themen wie Unterwasserwelt, Entdeckungsreise und Schiffsbau.

Der Titel weist auf Unschärfe und Ohnmacht hin einen Zustand, in dem man den Boden unter den Füssen zu verlieren glaubt. Ein rundes Stierfell hängt wie eine Landkarte oder ein Segel von der Glasdecke des Kunstvereins. Darunter ist in den Boden ein Text eingraviert neben einer Lederbank, einem schiffsbauartigen Objekt und einer langen Welle aus Spanplatte. Alle drei Objekte präsentieren Teile eines mystischen Textes: Werde glücklich und still.

Die Welt mit all ihren Wundern ist nichts. In verschiedenen Techniken Gravierung, Applikation, Schreinerei und Intarsien werden die Worte in dieser monumentalen Installation visualisiert. Ultra-marin, eine weitere Installation aus drei Videoarbeiten stellt Synchronschwimmer dar, die mit verlangsamten Bewegungen in ihrer eigenen abgehobenen Sphäre miteinander kommunizieren. Man denkt dabei an Wassernymphen oder Sirenen, die, indem sie die Seemänner rufen, den Sog des Meeres symbolisieren. Die Widerspiegelung der maritimen Bildwelt wird in verschiedenen Arbeiten der Ausstellung weitergeführt: eine Wandkonsole, Terra Incognita, interpretiert traditionelle Delfter Fliesenzeichnungen neu, Zierknoten bezieht sich auf die Tradition der von Matrosen verfertigten Seilenfetische und eine Skulptur aus drei präparierten Schwänen verweist auf die Unterwassermythologie um Neptun.

Die menschliche Sehnsucht nach dem Anderen bzw. auf einen paradiesischen Zustand zeigt sich in Malerei von exotischen Orten, jungen Matrosen oder dem Polarstern. Der Horizont als Symbol der Ferne wird in zwei Arbeiten thematisiert: das Video Insel stellt den wankenden Horizont durch einen runden Ausschnitt dar, als ob der Betrachter durch ein Bullauge vom Schiff aufs Meer hinaus schauen würde. Es gleicht einer Ansammlung von Urlaubspostkarten, die durch den Prozess der Animation in Bewegung kommen. Bei der Arbeit Macao bildet die Oberkante von dicht aneinander stehenden Vasen eine Horizontlinie, die dadurch betont wird, dass die Gefäße bis zum Rand mit Wasser gefüllt sind.

Die Komponente des Maritimen steht als Metapher für die gegenwärtigen Unschärfen in Gesellschaft, Geist, Politik und Wirtschaft.
Die im Kunstverein Freiburg gezeigte Präsentation ist die erste gemeinsame Ausstellung von
Diana Dodson und Reto Leibundgut in einer Kunstinstitution in Deutschland.

© Laurent Montaron courtesy galerie schleicher+lange, Paris
Reading, 2005, Fotograph, 124 x 220 cm

Laurent Montaron | 25. Januar – 16. März 2008

 

Candy says I'd like to know completely
what others so discretely talk about, 2004, light box, 125 x 96 cm
Obwohl er in seinem Heimatland schon als einer der spannendsten jungen Künstler bekannt ist, wird diese Präsentation die erste Einzelausstellung des Franzosen Laurent Montaron (*1972) in Deutschland sein. Er konzipiert einen neuen Film für die Halle des Kunstverein Freiburg und zeigt in der oberen Etage großformatige fotografische Arbeiten. Seine Werke handeln von verschiedenen Formen der Erzählung, der Grenze zwischen Realität und ihrer Darstellung und von den Möglichkeiten, uns Erfahrung von Zeit zu vermitteln. Weit entfernt vom Dokumentarischen als auch vom Fiktiven verwendet Laurent Montaron die Strategien des Isolierens, Andeutens und Verbergens, um die versteckten Kräfte bei der Entstehung von Bedeutung, den Zauber der Bilder und der Töne freizulegen.

 

 

Laurent Montaron konstruiert seine Fotografien minutiös. Die Situationen werden bis ins kleinste Detail geplant und ohne jegliche Spontaneität aufgenommen. Das Geschehen der Bilder basiert häufig auf der persönlichen Erfahrung des Künstlers von Träumen und Déjà-vu-Erlebnissen. Zuerst entsteht eine Vision, noch bevor der passende Ort oder richtige Darsteller gefunden sind. Bei der Umsetzung ist es schließlich eine Interaktion zwischen der Imagination und dem Machbaren, aus der die Bilder entstehen. Es sind Szenen ohne Anfang und Ende, wie das Standbild eines Filmes bei dem der Zusammenhang fehlt. Als Szenario dokumentieren sie einen kurzen Augenblick.

Montarons Werke zweifeln eine einzig gültige Interpretation an; die Ambivalenz der Themen eröffnet eine Vielzahl an Deutungsmöglichkeiten. Der Betrachter ist mit einem Mikrokosmos konfrontiert, der anstatt eine Realität zu beschreiben, symbolische oder allegorische Bedeutungen vorsieht. Unter diesem Aspekt mag Reading, 2005 verstanden werden, dessen Darstellung an Ray Bradburys Erzählung Fahrenheit 451 erinnert, in dem Bücher als Quelle der Menschlichkeit verboten und verbrannt werden. Das Buch versinnbildlicht den Aufschrieb von Sprache, von Geschichte, von der Welt. Aus der Faszination des Künstlers für die romantische Umgebung Heideggers Hütte im Schwarzwald entstand die Panoramaansicht von Todtnauberg, 2006. Die Arbeit Somniloquie, 2002 dringt in die Intimität des Menschen ein: durch einen Plattenspieler wird das im Schlaf Gesprochene akustisch wiedergegeben, gleichzeitig ist die Szene der Aufzeichnung auf dem Foto abgebildet. Während dem Abspielen der Geräusche wird die Tonspur der Schallplatte gelöscht. Das Motiv des Aufnehmens ist ein wiederkehrendes Merkmal Montarons Arbeit, auch zu sehen in Stream, 2007 oder Candy says I’d like to know completely what others so discreetly talk about, 2004. Beim Verwenden von mechanischen Aufnahmegeräten sinnt der Künstler über die Absichten hinter der Repräsentation nach. Bei der Aufnahme formt sich Sprache im Gesprochenen, ohne dass die körperliche Präsenz des Redners anwesend ist.

Die Erwartung mit der Montaron den Betrachter einbezieht ist nie geradlinig sondern voller Kurven und Wendungen, wie das Knäuel an Videobändern abgebildet auf der Fotografie Gordischer Knoten, 2005. In der griechischen Mythologie ist die Struktur des Gordischen Knoten so komplex, dass weder Verstand noch Intuition sie verstehen oder lösen kann. Es ist ein Konstrukt der Scheinwelt, ohne Bestand in der Wirklichkeit, in der Phantasie geknotet.

Laurent Montarons neuer Film handelt von der Idee der Vorahnung als ein direktes Wissen oder eine Erkenntnis der Zukunft und thematisiert Zeit und Zufall. Es ist die Wiederherstellung eines Geräts, das mit der Wahrnehmung experimentiert.

Gern schicken wir Ihnen auf Wunsch zusätzliche Informationen zum Leben und Werk des Künstlers sowie druckfähiges Bildmaterial.